WESER KURIER, 15.01.2009

16.01.2009

Von Clemens HaugÜBERSEESTADT·ALTSTADT.Es grünt und blüht auf dem Arealzwischen den Brücken der B6 und dem Güterbahnhof. Daniel Schnierund Oliver Hasemann vom AAAAutonomen Architektur Atelier sindzu Scherzen aufgelegt: Hier entsteheder zweitgrößte Wald Bremens. „DiePionier-Vegetation hat bereits die Fünf-Meter-Marke erreicht“, witzeltSchnier und deutet auf einige, in der Tat recht stattliche Büsche. Die Szene stammt aus der halbstündigen filmischen Dokumentation „Leerlauf – entschleunigte Orte in Bremen“, die Regisseur Daniel Telkmann mit Stadtplaner Oliver Hasemann und Architekt Daniel Schnier von September bis November vergangenen Jahres an vier „vergessenen“ Plätzen in der Stadt aufgenommen hat.Bei der Premiere am Sonnabend war es in der ehemaligen Zollabfertigung am Hansator richtig voll. Die rund 50 Gäste sind von der Naturstudie höchst amüsiert. Auch als es um denIndustriepark in Oslebshausen geht, wird lauthals gelacht. Hasemann und Schnier wanderndurch Büsche und Gestrüpp und philosophieren über eingewanderte Fasane aus Asien und denMüll, den andere hinterlassen haben. Die Diagnose des Filmteams: Der Ort ist entschleunigt,befindet sich im Leerlauf und interessiert wohl niemanden so richtig. Eine Ausnahme bildet da vielleicht der Jagdpächter Lothar Wolter, dem die drei bei ihren Dreharbeiten begegnet sind. Er erzählt von den Turmfalken, die sich in seinem Jagdrevier im Industriepark, das knapp 600 Hektar umfasst, inzwischen richtig wohl fühlen.Den drei Dokumentarfilmern geht es nicht darum, gescheiterte Gewerbeansiedlungspolitikenzu kritisieren. „Wir wollen eigentlich in erster Linie auf die unserer Meinung nach vergessenen Orte aufmerksam machen und sie ins Gedächtnis der Leute zurück holen“, erklärt Hasemann. Auch haben nicht alle gezeigten Plätze soviel Humor-Potential wie das Gelände rund um das Stahlwerk. In Blumenthal, letzte Szene im Film, grassiert der Ladenleerstand und lässt dieses Nebenzentrum Bremens fast wie eine Geisterstadt wirken. Der Film selbst besticht jedenfalls nicht nur als Entdeckungsreise. Die Kameraführung zeichnet ein Sinn für schöne Bilder aus. Wenn an den Brücken der B6, dem sogenannten Nordwest-Knoten, der Verkehr in mehreren Schichten übereinander fließt und sich die Eisenbahn nahtlos ins Bild einfügt, entsteht plötzlich eine faszinierende Lebendigkeit.Selbst der Tristesse des Brilltunnels kann Regisseur und Kameramann Daniel Telkmann noch schöne Perspektiven und Bildspielereien abgewinnen. Was man aus den „vergessenen“ Orten machen könnte, lässt „Leerlauf“ bewusst offen. „Fürs erste würde es wohl reichen, wenn sie besser zugänglich wären“, sagt Stadtplaner Oliver Hasemann.Der Film „Leerlauf – entschleunigte Orte in Bremen“ wird am Freitag, 16. Januar, noch einmal gezeigt – um 20.30 Uhr im Radio Weser TV.Daniel Schnier (von links) und Oliver Hasemann von den Autonomen Architekten und Filmemacher Daniel Telkmann im Brilltunnel. FOTO:FR»Wir wollen vergessene Orte ins Gedächtnis der Leute zurückholen.«Oliver HasemannStadtplaner© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Ausgabe: Mitte Seite: 5, Datum: 15.01.2009 Text: Clemens Haug, Foto: Daniel Schnier