In die Geschichte eines Stadtteil eintauchen

27.04.2015

VON CHRISTIAN HASEMANN
Neustadt. Über 150 Anwohner und Interessierte haben sich bei strahlendem Sonnenschein zu einem urbanen Spaziergang durch die lange vernachlässigten Stadtteile Neustadt, Alte Neustadt und Südervorstadt getroffen. Den Spaziergang mit dem Titel „Neu/Stadt/Alt – Entwicklung aus dem Raster“ haben Oliver Hasemann und Daniel Schnier vom Autonomen Architekturatelier AAA in Kooperation mit Ulrich Pollkläsener vom Energiekonsens Bremen und Bauraum Bremen unterwegs organisiert.
An mehreren Stationen stellten die Stadtexperten verschiedene Orte, Projekte und Geschichten des Quartiers, das lange einen Dornröschenschlaf hielt, vor. Wachgeküsst wurde das Viertel unter anderem von Eva Kirschenmann vom Verein Kulturpflanzen. Sie berichtete von diesem Urbanen Gardening (Stadtgarten)-Projekt „Ab geht die Lucie!“ in der Alten Neustadt. Die Gärtner vom Lucie-Flechtmann-Platz berichteten über die Entwicklungsgeschichte des Platzes, der sich mit Hilfe vieler engagierter Anwohner von einer grauen versiegelten Betonfläche zu einem beliebten und begrünten Stadtteiltreff gewandelt hat, auf dem die verschiedensten Aktionen stattfinden.
Über die Häschenstraße ging es vorbei an leeren Häusern und einer Brachfläche, die bald mit hochpreisigen Wohnungen bebaut werden soll, wie die Organisatoren des Spaziergangs berichteten. Danach ging es weiter zum Ufer der kleinen Weser. Dort reichte die Stimme von Daniel Schnier vom AAA kaum aus, den zahlreichen Spaziergängern die Geschichte der ehemaligen Brücke zu vermitteln, die einst als Verlängerung der Brautstraße über die kleine Weser führte. Anschließend zog die Gruppe an der ehemaligen Schnapsbrennerei, jetzt Alte Schnapsfabrik, vorbei, in der sich heute erfolgreich Werbe- und Marketingagenturen angesiedelt haben.
Vom kleinen Roland aus ging es anschließend durch einige Hinterhöfe zum denkmalgeschützten Gebäudeensemble in der Rückertstraße, das sich von der üblichen Reihenbebauung Bremens durch sein großstädtisches Flair deutlich abhebt. Der dortige Tatowierer Johannes vom Tätowierstudio Animal Farm berichtete aus seiner quirligen und sehr belebten Nachbarschaft, in der viele Studenten-WG existieren, die die Nachbarschaft mitprägen. Nach einem kurzen Abstecher zum inzwischen geschlossenen Kulturzentrum Dete, ein ehemaliges Zwischennutzungsprojekt im Flüsseviertel, zog die Gruppe über das Atelier namens Projektraum 404 in der Hegelstraße zum Kulturzentrum Kukoon im Buntentor-steinweg. Das Kulturzentrum ist ein Beispiel, wie aus einer Zwischennutzung ein sich selbsttragendes Konzept entwickelt werden kann.
Dort ließen die Teilnehmer den gemeinsamen Nachmittag im Sonnenschein nach dem etwa zweistündigen urbanen Spaziergang ausklingen. Für alle, die die Neustadt mit ihrer wechselhaften Geschichte und den momentanen Entwicklungen näher kennenlernen wollten, war dies ein gelungener Tag, bei dem die Organisatoren viel vermitteln konnten und es im Austausch mit anderen Interessierten noch mehr zu lernen gab.
Der nächste Urbane Spaziergang unter dem Titel „Schiffe, Schrauben, Wale fangen – auf Wellen gebaut“ findet am Sonntag, 31. Mai, um 14 Uhr in Vegesack statt. Treffpunkt ist der Bahnhof Vegesack.
(c) Weser Kurier, Bremen, 2015, Stadtteilkurier, 27.04.2015, Foto:FR, Text: Christian Hasemann