Entdeckungstour am Weserufer
Fast 100 Interessierte spazierten mit AAA durch die Neustadt

20.10.2016

Neustadt. Ein Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein und herbstlichen Temperaturen ist doch was Feines. Noch dazu, wenn der Fokus dabei auf die Bremer Architektur und unbekanntere Orte gelenkt wird. Dazu animierten Oliver Hasemann und Daniel Schnier vom Autonomen Architektur Atelier (AAA). Unter dem Motto „Stromaufwärts – Spaziergang mit einer Hand im Wasser“ waren fast 100 Bremerinnen und Bremer ihrer Einladung zum 10. Urbanen Spaziergang durch die Neustadt gefolgt.

Auf der linken Weserseite der Stephanibrücke bildete sich die große Traube von Menschen, die  alle diesen Exkurs in einen Teil Bremer Geschichte unternehmen wollten, zusammen mit Freunden, Fremden und Nachbarn. Ein gemischtes Publikum von älteren Herrschaften und Zeitzeugen über junge Menschen bis hin zu Familien mit Kindern. „Wir haben von drei bis 103 Jahren alles dabei“, stellte Daniel Schnier fest, Initiator von AAA.

Nach einer kurzen Einführung von Oliver Hasemann, ebenfalls Mitgründer der Initiative, ging der Marsch los. Erster Stopp war das Weserufer, wo erste Fakten, insbesondere die wirtschaftliche Fluktuation der letzten Jahrzehnte angesprochen wurden. Konkret der Bereich Großkonzerne und Industrieansiedelung, zum Beispiel die Beck's-Brauerei oder der Unterschied zwischen der Braut- und Bräutigambrücke sowie die Immobiliennutzung oder auch Nichtnutzung der umstehenden Gebäude am Fluss.

Das Neustädter Weserufer ist laut Tourenleiter erst im Zuge der Festungserweiterung im 17. Jahrhundert tatsächlich ein Bestandteil der Stadt Bremen geworden, wenn auch kein sehr angesehener. Nur durch Steuernachlässe konnten Bewohner vorerst auf die linke Weserseite gelockt werden. Dies änderte sich mit der Freigabe der Zunftordnung, als viele Handwerker und erste Industriebetriebe in die Neustadt zogen. Generell blieb das Quartier allerdings eher eine Arbeiterwohngegend. Dies zeigt sich unter anderem auch durch den Abbruch der Wehranlagen, die Bauland und im Gegensatz zur Altstadt nicht in eine Parkanlage umgestaltet wurden.

Auch einige Teilnehmer meldeten sich zwischendurch mit Ergänzungen zu Wort. So hielt Dieter König spontan einen Vortrag über die alten Stadtmauern auf der linken Weserseite und alte, nicht umgesetzte Kanalbau-Pläne.

Das Interesse und vor allem das Hintergrundwissen vieler Teilnehmer war bemerkenswert. „Eines unserer Hauptziele dieser Spaziergänge ist vor allem auch der Demokratieprozess: Jung und Alt tauschen sich aus und Nachbarn lernen sich kennen“, sagte Daniel Schnier, ehe sich der Tross weiter in Richtung Teerhof bewegte und an der Weserburg Halt machte.

Dort wurde die Gruppe mit der Geschichte der deutschen Projekt- und Schwergut-Reederei Beluga Shipping konfrontiert, deren imposanter ehemaliger Firmensitz dort liegt und die im März 2011 in die Insolvenz gegangen ist. Auch die Entstehung des Cafés Karton in der alten Schnapsfabrik am Deich war ein Thema beim zehnten urbanen Stadtspazierung von AAA.

Spannender Wandel

Gerda Gonsior, ehemalige Vorsitzende des Literaturkontors, ist zum ersten Mal mitgegangen. „Ich kenne die Neustadt ganz gut und finde es wichtig, auch einen kulturellen Aspekt mit reinzubringen“, sagte Gonsior. Sie lebte von 1956 bis 1966 in der Neustadt und erlebte folglich den Wandel des Quartiers mit. „Damals war hier alles leer, an der Schlachte war nur Ödland – bis auf Brombeeren gab es dort nichts. Heute blüht die Neustadt regelrecht auf und erlebt einen rasanten Zuwachs.“

Zu einem Urbanen Spaziergang durch Oslebshausen lädt das Autonome Architektur Atelier in Kooperation mit dem Bremer Energie-Konsens für Sonntag, 23. Oktober 2016, ein. Los geht die Tour „Westwärts – Abendrot mit Hochofenblick“ um 14 Uhr am Bahnhof Oslebshausen. Die Teilnahme ist kostenfrei.
(c)2016, WESER-KURIER Mediengruppe, Bremer Tageszeitungen AG, Martinistraße 43, D-28195 Bremen, Ein Bericht von Nadine Grohe.