Dokumentation Urbaner Spaziergang "Klein Stadt Groß" 02.11.2014
55m2 Nachbarschaftsglück

18.11.2014

Zu unserem Urbanen Spaziergang „Klein Stadt Groß – 55m² Nachbarschaftsglück“ am Sonntag, den 02.11.2014 um 14Uhr versammelten sich am sonnigen Sonntagmittag über einhundert Interessierte am Spielplatz „Klein Mexiko“. Wir, gemeinsam mit Jürgen Schnier vom Bauraum Bremen, luden dazu ein, auf versteckten Wegen nach der Kleinstadt in der Großstadt zu suchen. Auf dem Spielplatz selbst ließ sich die Großstadt nicht verleugnen. Wegen des Verkehrslärms der Bismarckstraße ließ sich nur schwerlich ein Wort verstehen. Aber schon ein paar Schritte weiter tauchen wir ein, in das ruhige und überschaubare „Klein Mexiko“. Etwa 55m² große Reihenhäuser mit kleinen Vorgärten stehen hier an schmalen Straßen. Von den viel befahrenen umliegenden Straßen gibt es nur zwei Zugänge für Autofahrer. Die Siedlung wirkt geschützt und abgewandt von der lärmenden Stadt. All das unterstreicht den dörflichen Charakter der Siedlung, der sie zu einem beliebten Wohnquartier macht.

Errichtet wurde die Siedlung Ende der 1920er, zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise, um den armen und kinderreichen Familien aus städtischer Sicht günstigen Raum anbieten zu können. Der Name der Siedlung war offiziell „Westfalensiedlung“. Doch umringt von einer eher rechtskonservativen, bürgerlichen Nachbarschaft wurde die Siedlung mit dem Namen „Klein Mexiko“ stigmatisiert, als Ort sozialistischer Proletarier. Seit 1930er Jahren zeigten die Bewohner*innen dann auch geschlossen Widerstand gegen die Nazis. Unter den Teilnehmer*innen befanden sich viele Bewohner*innen und Anwohner*innen der geschichtsträchtigen Siedlung „Klein Mexiko“. Sie wussten aus der Zeit des Widerstandes zu berichten und gaben uns spannende Einblicke in die Geschichte. Von geheimen Schleichwegen, sogar durch die Häuser, wurde gesprochen, um die Nazi-Verfolger abzuschütteln.

Weiter ging es entlang der Georg-Bitter-Straße und Bei den drei Pfählen bis zum Hermine-Berthold-Platz, der im Zuge der Errichtung des Georg-Bitter-Quartiers entstanden ist. Hier zeigte sich eine andere, sehr moderne Form des kleinstädtischen Lebens in der Großstadt. Die quadratischen, modernen Gebäude wurden 2006 auf dem ehemaligen TÜV-Gelände errichtet und mit hochpreisigen Eigentumswohnungen versehen. Auffällig war die 1900m² große Brache direkt gegenüber den modernen grauen Mehrfamilienhäuser und das seit mindestens sechs Jahren leerstehenden und langsam verfallenden gelben Mehrfamilienhaus. Über die Georg-Bitter-Straße und durch einen mit Ornamenten verzierten Torbogen, geht es in den Hof einer Wohnsiedlung mit dem klassischen Charme der 1950er Jahre. Die meisten der fünfstöckigen Gebäude sind der Straße abgewandt und mit großzügigen Grünflächen voneinander getrennt. Dadurch entstehen auch hier ruhige, wenn nicht unbedingt dörfliche, Wohnstrukturen. Die Gebäude sind mittlerweile teilsaniert und mit Stahlbalkonen ausgestattet. Es stellte sich die Frage, für wen städtisches Wohnen in ruhiger Lage überhaupt bezahlbar ist.

Über einen schmalen Fußgängerweg spaziert die Gruppe weiter bis zur Rückseite des ehemaligen St. Petri Waisenhauses. Hier wird bald hochpreisiges Wohnen in ruhiger Lage möglich sein. Auf dem Gelände entsteht derzeit eine Wohnanlage. Wir kreuzten die Stader Straße und befanden uns dann im Rennstiegviertel, ebenfalls ein an dörfliche Strukturen erinnerndes Quartier. Auf der Rückseite der ersten, 1928 erbauten Großwohnsiedlung Bremens machten wir unseren vorletzten Halt. Die Großwohnsiedlung und das dahinter liegende Rennstiegviertel sind beliebte Wohnquartiere mit ebenfalls ruhigen und dörflichen Charakter. Eine Teilnehmerin berichtet, dass sie ihr Haus, welches sie vor dreißig Jahren gekauft hat mittlerweile für das vierfache wieder verkaufen könnte. Zum Schluss spazieren wir hoch zum Osterdeich entlang klassischer Altbremerhäuser und beenden dort unseren Urbanen Spaziergang vor dem Bunker in der ein Tankstellenpächter das Areal seit Jahrzehnten nutzt.

Vielen Dank an alle. Wir spazieren wieder am Sonntag, den 30.11.2014 um 14Uhr durch Bremen-Blumenthal. Diesmal heißt es „Kurzgeschoren – Neues Fell für Blumenthal“. Treffpunkt: Eisenbahnhaltestelle „Bremen Blumenthal“, Blumenthaler Bahnhof, (NordWestBahn)