Dokumentation Urbaner Spaziergang „Der große Wurf nach der Werft – Stadtplanung auf Kiel gelegt“ durch Gröpelingen am Sonntag, 25.10.2015

01.11.2015

Bei wunderschönem, sonnigen Wetter trafen wir uns am vergangenen Sonntag vor dem Lichthaus, dem Gebäude des Betriebsrats der ehemaligen AG Weser. Viele der TeilnehmerInnen sind mit dem Fahrrad gekommen, einige auch mit dem Klapprad. Auf den Stufen des ehemaligen Betriebsrats und mit Blick in Richtung der Waterfront, bzw. der nicht mehr existenten Werft, erfolgt die Begrüßung durch Uli Pollkläsener vom Bremer Energiekonsens und uns.

Der Blick auf das ehemalige Gelände der Weser AG, umgangssprachlich auch „Use Akschen“, bestimmte dann auch den Beginn unseres Spaziergangs. In den Hochzeiten der 60er Jahre einmal Arbeitsplatz von 8.000 Menschen und für viele Jahrzehnte das optische und inhaltliche Zentrum von Gröpelingen, gingen diese Arbeitsplätze und diese Bedeutung Ende 1983 mit der Schließung der Werft verloren. Mit einem großen Wurf versuchte der Bremer Senat und verschiedene Investoren und Projektentwickler hier seit Mitte der 90er Jahre auf einen Schlag alle Probleme zu lösen und einen Leuchtturm für die Entwicklung des Bremer Westens zu schaffen. Herausgekommen ist nach sieben Jahren Planung und langer Bauzeit unter dem Einsatz von bis zu 650 Millionen Euro eine temporäre Nutzung des Gebäudes durch das Edutainment-Center Spacepark mit folgendem Leerstand und seit 2008 ein gigantisches Shopping-Center mit Science-Fiction Look. Heute nun mit 90 Geschäften und 44.000m2 ein lohnendes Geschäft für den seit 1. August 2015 neuen Eigentümer und Entwickler aus Hamburg ECE, der das Gebäude für 250 Mio. Euro gekauft hat. Davor war es die LNC-Property-Group, die den Spacepark für einen Bruchteil der Herstellungssumme von der Dresdner Bank (40 Millionen Euro) abgekauft und dann zu einem reinen Shopping-Center weiter entwicklet hat. 

Ob die Waterfront die Rolle als neuer Mittelpunkt des Stadtteils einnehmen kann, liess sich am ansatzweise Sonntag testen, obwohl es geschlossen war, sind viele Nachbar*innen an die Weser gekommen, um dort zu verweilen und die Sonne zu geniessen. Der Zugang an den Fluss und die Einrichtung neuer Fährwege haben in jedem Fall ermöglicht, dass der Stadtteil wieder näher an die Weser rücken kann. Mit der ehemaligen Helge VI, die von 1963 bis 1964 erbaut wurde, um dort Öltanker zu bauen, wurden zudem ein Ort erhalten und umgebaut, auf dem wir nun sitzen und von den Treppenstufen gen Westen auf das Wasser blicken konnten. Eine Zeitlang gab es hier eine Seebühne mit OpenAir Opern, nun bietet sie einem der Teilnehmer des Spaziergangs die Gelegenheit über seine frühere Arbeit als Werftarbeiter zu erzählen und von den riesigen Schiffen zu berichten, die alle 6-12 Monate zu Wasser gelassen wurden, wenn wieder eine öffentliche Schiffstaufe anstand. 

Der Weg führte uns immer weiter über das ehemalige Werftareal in Richtung der Kap-Horn-Straße, wo sich in den frühen Neunzigern viele subkulturelle Gruppen, Künstler*innen, Musiker*innen und auch Bremens erster Technoclub namens DOCKLANDS angesiedelt hatten, von denen auch heute noch viele die Räumlichkeiten mit Blick auf den Industriehafen nutzen. Seit einigen Jahren sind auch benachbarten Gewerbebauten weitere NutzerInnen eingezogen. In der Use Akschen 91 finden Gottesdienste statt, Punkbands proben dort, Kaffeeröster erzeugen ihre Produkte und Fotografen und Künstler*innen finden dort ihre Schaffensstätte.

Der Weg aus dem Hafenareal führte uns über eine Schnecke auf die Fuß- und Radfahrbrücke über Schienenstränge und Hafenrandstraße und erlaubte uns einen Blick über diese Barriere aber auch die Schleichwege, die entstanden sind, um sich zwischen den Schienen von einer Seite zur anderen zu bewegen. Sehr klar trat hier zu Tage, wie in der Nachkriegszeit hier Wohn- und Industrieareale in immer stärkeren Maße voneinander getrennt wurden und bis heute eine räumliche Distanz entstanden ist, die sich nur schwer wieder überbrücken lässt. Gleichwohl ließ sich am anderen Ende der Brücke sehr schön feststellen, dass mit dieser Trennung und der Verkehrsführung das Lindenhofquartier von starken Geräuschemissionen durch den Verkehr verschont wird und eine angenehme, grüne Wohnlage entstanden ist. 

In dieser Wohnlage gelang es Uli Pollkläsener dann anhand eines gewagten Anbaus,die Arbeit des Energiekonsens näher zu erläutern, die sich insbesondere auch an Eigentümer von kleinen Immobilien richten, die diese auf einen zeitgemäßen Energiestandard bringen wollen. Er betonte hierbei, dass dies nicht alleine über die Dämmung der Bauwerke geschehen muss, sondern dass es hierfür unterschiedliche Ansätze gibt und der Energiekonsens über ein Netzwerk zertifizierter Berater verfügt, die hier gerne weiterhelfen können. Nach diesem Input führte uns der Weg weiter entlang der Lindenhofstraße zu einem kurzzeitigen Aktivierung Laden, der vorher seit sieben Jahren leergestanden hatte. Dieser wird nun als eine Art Treffpunkt genutzte und trägt den Titel „BLUMENBUDE - Lädt ein zum raus- und reinzukucken“. Anne Hölting und Christina Vogelsang verstehen ihre Blumenbude als ein Testlabor für Aktionen, wie die Raumpatrouille, die sich Stadtentwicklungsthemen widmet, oder der Stadtteiluniversität, die in Kooperation mit Universität und Quartiersbildungszentrum Vorlesungen in den Stadtteil holt. Die Nutzung endet mit den kommenden „Feuerspuren 2015“ in Gröpelingen, zu denen auch die Blumenbude eine Bühne stellt. Einem Test wurde die Blumenbude auch durch die 70 Menschen unterzogen, die nun dicht an dicht in der Blumenbude standen und anschließend ins Gespräch mit Anne Hölting kamen.

Nach diesem Stop endete der Urbane Spaziergang und einige von uns sind einige hundert Meter in das kleine, aber sehr feine Fischgeschäft „Karadeniz“ gegangen, um dort den berühmtesten „Fisch-Döner“ mit Makrele zu essen. Dies war der krönende Abschluss eines gelungenen Urbanen Spaziergangs und wir freuen uns, Euch alle bei einem weiteren Termin begrüßen zu dürfen. 

Vielen Dank an Herrn Pollkläsener vom Energiekonsens, als auch an Frau Anne Hölting von der BLUMENBUDE. Natürlich danken wir auch dem unbekannten Werftarbeiter, der uns viel über die Arbeit auf Use Akschen erklärt hat.

Resumee

Teilnehmer*innen: zirka 70 Menschen und der Mops Kalle